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Vorsprung durch Service

Neulich war die HU meines Autos fällig. Der PKW stand pünktlich zum Termin in der Werkstatt. Der zur Inspektion erforderliche Fahrzeugschein lag derweil zuhause in der Schublade. Das ist blöd, wenn zwischen Werkstatt und Zuhause 40 km liegen...  

Audi Kundenservice Extra Meile Autowerkstatt Inspektion


Ich gebe es gern zu: Meine Leidenschaft in Sachen Auto ist minimalistisch. Autos sind für mich in erster Linie ein Nutzobjekt, gern dürfen sie hübsch aussehen und schnell fahren, darüber hinaus beschäftige ich mich - im Gegensatz zu dem einen oder anderen leidenschaftlichen Samstags-Autowäscher - nur im erforderlichen Rahmen mit ihnen, falls sich kein anderer aus meiner Familie vordrängelt. 

 

Neulich musste mein Wagen zur Inspektion und weil der TÜV überfällig war, wollte dies die Service-Werkstatt gleich miterledigen. Solch ein Werkstatttermin ist für mich immer mit Aufwand verbunden, denn weil wir auf dem Lande wohnen, fahre ich zum nächsten Servicepartner 40 km. Das bedeutet konkret: Wir fahren mit zwei Autos zur Werkstatt, lassen mein Auto dort, fahren am nächsten Tag wieder zu zweit zur Werkstatt, holen mein Auto ab. Macht 160 km Autofahrt für zwei Personen, alternativ jede Menge Kosten und Fahrzeit in öffentlichen Verkehrsmitteln. Trotzdem lohnt es sich unterm Strich für uns - wegen einer Service-Flatrate des Autohauses. Anders ausgedrückt: Das Autohaus verdient sich an unseren Inspektionen keine goldene Nase, denn die Service-Flatrate ist sehr günstig und größere Reparaturen erledigt ein Bekannter zu günstigen Preisen in seiner markenfreien Werkstatt.  Auch sonst hat das Autohaus keinen Grund, den roten Teppich für uns auszurollen: Wir haben gerade mal ein einziges, eher kleines Auto dort gekauft.  

 

Pünktlich zum Termin hatten wir meinen PKW am Vorabend bei der Werkstatt vorbeigebracht und gleich noch ein paar Wege in der Stadt erledigt. Am nächsten Morgen war ich gerade unterwegs zu einem Kunden, als mein Handy klingelte. Der Meister, der meine Inspektion betreute, war dran und erkundigte sich, wo im Auto er den Fahrzeugschein finden könne. 

 

Nirgends. Er lag zuhause irgendwo.  

"Kann ich den Fahrzeugschein nicht nachreichen?" erkundigte ich mich. 

"Leider nein." bedauerte der Meister. "Der TÜV-Prüfer benötigt ihn direkt bei der Untersuchung."

 

Traumhaft. Ich hatte nun die Wahl, mein Auto unverrichteter Dinge wieder abzuholen oder innerhalb von kürzester Zeit meine komplette Tagesplanung umzuwerfen, um 80 Kilometer wegen des Fahrzeugscheins in der Gegend herumzufahren. Verdrossen erklärte ich dem Meister meine Lage und sagte ihm zu, den Fahrzeugschein zeitnah nachzuliefern. Dann beendeten wir das Telefonat. 

 

Ein paar Minuten später klingelte mein Handy wieder. 

Es war wieder der Servicemeister aus dem Autohaus.  

"Sagen Sie, ist bei Ihnen denn jemand zuhause, dass wir den Fahrzeugschein abholen können?"

"Sie möchten den Fahrzeugschein bei uns abholen??" fragte ich sehr erstaunt. 

"Ja, wir haben einen Fahrdienst, der könnte das erledigen."

"Aber Sie brauchen jetzt nicht extra... das ist ja schließlich mein Versäumnis gewesen..." wandte ich ein. 

"Kein Problem, der fährt sowie umher. Wenn Sie organisieren können, dass jemand zuhause ist und uns den Fahrzeugschein herausgibt, dann kommt der Fahrer in einer Stunde bei Ihnen vorbei."  

Warum ich diesen Service meisterhaft fand:

  • Weil der Service meine Erwartungen bei Weitem übertroffen hat
  • und der Service-Meister seinen Titel zu Recht trägt.
  • Weil in diesem Autohaus offenbar jeder Kunde ein guter Kunde ist. 

Meine Konsequenz als Kunde: 

  • Den nächsten Reparaturauftrag hat diese Service-Werkstatt erhalten
  • Diese Automarke bleibt meine Lieblingsmarke
  • Beim nächsten (allerdings noch fernen) Autokauf frage ich gern wieder dort an

Welche Knöpfe werden hier beim Kunden gedrückt?

  • Kontaktperson: Jedem Serviceauftrag ist ein verantwortlicher Meister zugeordnet. Das ist nichts Neues und wird in den meisten Autohäusern so gehandhabt. Ein fester Ansprechpartner gibt mir als Kunden das gute Gefühl, dass meine Anliegen gehört und bearbeitet werden. Im Gegensatz zu einer Bearbeitung nach dem Zufallsprinzip, wie man es z.B. aus Call-Centern kennt, übernimmt hier ein Mitarbeiter persönlich die Verantwortung, dass alles reibungslos läuft. Die internen Prozesse im Autohaus sind bestens organisiert, gleichzeitig hat der Servicemeister die Möglichkeit, auf individuelle Wünsche einzugehen. Darüber hinaus stellt das Autohaus dem Servicemeister offenbar Kompetenzen und Ressourcen zur Verfügung, um zufriedenstellenden, den Erwartungen entsprechenden Service in wirklich meisterhaften Service zu verwandeln.  
  • Die Extra-Meile: Wie jeder andere Kunde komme ich mit bestimmten Erwartungen in eine Autowerkstatt. Mein Auto soll gewartet werden. Wenn Reparaturen anstehen, möchte ich darüber ein zuverlässiges Angebot. Alle Arbeiten sollen zügig im verabredeten Zeitraum erledigt werden und dies natürlich einwandfrei. Mein Auto soll weder beschädigt noch beschmutzt werden. Muss ich warten, sollte eine Sitzmöglichkeit zur Verfügung stehen, gern auch eine Zeitschrift und ein Kaffeeautomat. Darüber hinaus erhoffe ich mir, dass Mitarbeiter freundlich zu mir sind, mir zunicken und ein Lächeln schenken. Ist all dies gegeben, werde ich beim Bezahlen der Rechnung nicht in Jubel ausbrechen, welche Wahnsinnsleistung mir hier als Kunde geboten wurde. Nein, ich werde bestenfalls zufrieden sein, da man mich in keinem Punkt enttäuscht hat. Ich werde mich der Werkstatt gegenüber nicht besonders verpflichtet fühlen. Ich bin zufrieden, aber nicht begeistert. Damit befinde ich mich als Kunde in einem Bereich, in dem ich gern wiederkomme, allerdings weiterhin auch alternative Angebote und Leistungen überprüfe. Ein restlos treuer Kunde werde ich nicht, nur weil meine Erwartungen getroffen werden. Anders ist das, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - die Autowerkstatt förmlich 'ein Bein für mich ausreißt'. Wenn die Serviceleistung bei Weitem übertrifft, was ich als angemessen empfunden habe. In diesem Augenblick habe ich das Gefühl, hier in besten Händen zu sein. Der Erfahrung nach wird kaum ein anderer Mitbewerber die gleiche Leistung bieten. Die Werkstatt scheint bereit, mehr zu geben als zu verlangen. Und ich fühle mich dankbar und verpflichtet, dieser Werkstatt und auch diesem Servicemeister etwas Gutes zu tun, indem ich wiederkomme, indem ich Preise weniger hinterfrage, indem ich weiterempfehle und dem Unternehmen treu bleibe. Daher lohnt es sich im Kundenservice unterm Strich meistens, beim Service die Extra-Meile zu gehen. 

Tipp zum Verwirklichen: 

  • Kennen Sie diese Situation: Es ist Weihnachten und Sie erhalten ein Geschenk von jemandem, für den Sie selbst nichts haben? Das ist peinlich, ein unangenehmes Gefühl. Oder Sie haben Ihrem Nachbarn beim Dachausbau geholfen und er ist nicht einmal bereit, Ihnen seinen Rasenmäher auszuleihen? Da ist man schon ein wenig enttäuscht. Der Hintergrund hierfür ist das Gesetz der Reziprozität, ein Phänomen aus der Soziologie. Dabei geht es um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Geben und Nehmen - nach dem Motto: Wie du mir, so ich dir. Eine Hand wäscht die andere. In zahlreichen Studien wurde beobachtet, dass Menschen nach diesem Prinzip handeln, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Wie so vieles ist dies ein Verhaltensmuster, das unsere steinzeitlichen Vorfahren erfunden haben. Austausch ist eine Grundvoraussetzung zwischenmenschlicher Beziehungen und in vielfältiger Form vorhanden. Auf das Wesentliche reduziert geht es dabei immer darum, für die eigene Existenz Nutzen aus der Gemeinschaft ziehen zu können. Weil die Gemeinschaft aber keine Schnorrer duldet, muss nutzbringend agieren, wer weiterhin Teil der Gruppe bleiben möchte. Das Handeln erfolgt mit Hinblick auf die Zukunft, in der man bestimmte Erwartungen an den anderen knüpft. Man erbringt eine Vorleistung und erhofft dafür eine Belohnung. - Wie drückt sich dieses Prinzip im Verhältnis zum Kunden aus? Grundsätzlich ist es keine Wunderwaffe, mit der man einen anderen in einen ewig treuen Kunden verwandeln kann, nur weil man ihm einmal ein Werbepröbchen gratis gegeben hat. Um wirken zu können, setzt die Reziprozität eine bestehende Beziehung oder ein beiderseitiges Interesse daran voraus. Denn nur wenn beide Seiten einen Nutzen aus Ihrer Verbindung ziehen können, sind sie bereit, auf ein ausgewogenes Austauschverhältnis zu achten. Das Potenzial steckt in Ihren Bestandskunden oder ernsthaften Interessenten. Gehen Sie dann Ihrem Kunden gegenüber in Vorleistung - zum Beispiel, indem Sie für ihn die Extra-Meile gehen - wird er das Bedürfnis haben, es Ihnen wieder recht zu machen und Ihnen etwas Gutes zu tun. Dann kann das Resultat ein Folgeauftrag, eine Weiterempfehlung, ein Trinkgeld oder langjährige Treue sein.       

Wie denken Sie darüber? Hatten Sie ähnliche Service-Erlebnisse?

Ich bin gespannt auf Ihren Kommentar!

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