Neulich trat in einer Talkshow wieder einmal ein medienpräsenter schwäbischer Textilunternehmer auf. Das erinnerte mich an ein besonderes Erlebnis der Kundenliebe, dass ich vor Jahren mit ihm hatte...
Die Geschichte ist schnell erzählt. Vor einer Reihe von Jahren gab es in unserer Familie einen hohen Verschleiß an T-Shirts und befreundeten Familien ging es nicht anders. Gleichzeitig legten die Kinder damals keinen Wert auf Individualität und stylische Marken, die Väter noch weniger. Erfreulicherweise bot ein süddeutscher Textilhersteller die Möglichkeit, günstig direkt ab Werk zu bestellen, sofern man eine Gewerbeanmeldung hatte. Das hatten wir, und so taten wir uns mit ein paar Familien zusammen, um wenigstens den Mindestbestellwert von 300 € mit Mühe zu erreichen.
Ich kann also ohne falsche Bescheidenheit behaupten, dass wir mit zwei Bestellungen im Jahr nicht der lukrative Großabnehmer bei unserem T-Shirt-Versorger waren.
An einem Pfingstmontag hantierte ich hektisch in der Küche. Der Rest der Mannschaft wartete schon vor der Haustür. Wir hatten uns bei dem schönen Wetter mit unseren Freunden zu einer Radtour verabredet. Da klingelte das Telefon.
"Guten Tag, hier ist die Firma T. in B., G. am Apparat." meldete sich ein Herr am anderen Ende, der mir aus den Firmenkatalogen und aus dem Fernsehen wohlbekannt war. Es war der T-Shirt-Firmenchef persönlich.
Es ist sicher einleuchtend, dass ich an einem Pfingstmontag nicht mit seinem Anruf gerechnet hatte. Genau genommen hatte ich überhaupt nie mit einem Anruf von ihm gerechnet. Denn was sollte er mit mir besprechen wollen?
Nachdem ich mich noch einmal rückversichert hatte, dass hier kein Missverständnis vorlag, konnte ich mich auf sein Anliegen konzentrieren.
"Ich habe gesehen, Sie haben schon ein paar Mal eine Bestellung bei uns aufgegeben?" fragte er.
Ich überlegte. War das jetzt falsch? Durfte man das eventuell gar nicht für private Zwecke? Bekam der Sachbearbeiter jetzt Ärger?
"Ja." gab ich vorsichtig zu, gespannt auf die Reaktion.
"War denn da alles in Ordnung? Waren Sie immer zufrieden?" erkundigte er sich.
"Ja," bestätigte ich erleichtert und überrascht, "war alles immer in Ordnung."
"Prima," sagte er erfreut. "Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag!"
Warum ich diesen Service meisterhaft fand:
- Ich bin für diese Firma ein durchaus bedeutungsloser Kunde
- Trotz ca. 1000 Mitarbeitern erkundigt sich der Firmenchef persönlich über die Kundenzufriedenheit
- Und das an einem Feiertag.
Meine Konsequenz als Kunde:
- Ich fühle mich plötzlich persönlich stärker mit dem Unternehmen verbunden.
- Ich erzähle im Freundes- und Bekanntenkreis davon.
- Ich bestelle wieder, bevorzuge das Unternehmen beim Kauf von T-Shirt-Ware und bin gegenüber weiteren Produkten offen.
Welche Knöpfe wurden hier beim Kunden gedrückt?
- Echtes Interesse: Kennen Sie die Servicebefragungen mancher Unternehmen? Einige Tage, nachdem man ihre Leistungen in Anspruch genommen hat, wird man per Anruf genötigt, seine Bewertung abzugeben. Der Interviewer verliest dann Fragen und gibt jeweils das Spektrum der Benotung vor, und das Ganze kommt dann zwar sehr freundlich, aber auch sehr automatisiert. Ich freue mich nicht über solche Anrufe, denn sie sind für mich ein sinnloser Zeiträuber. Ja, dem Unternehmen mag es hier und da etwas bringen als Feedback. Aber was hilft das, wenn gleichzeitig Kunden verärgert werden? Und meine Antworten, was passiert damit? In welcher Weise kommt meine Meinung zum Tragen, wenn Hunderte am Tag befragt werden und ich nur in Noten und kurzen Stichworten, nicht aber detailliert meine Meinung äußern kann? Als Kunde ist es mir am liebsten, nicht als eine Nummer unter vielen betrachtet zu werden, denn nur dann können meine individuellen Interessen berücksichtigt werden und nur dann ist das Machtverhältnis zwischen Kunde und Leistungserbringer ausgewogen. Eine Befragung in einem persönlichen Gespräch hingegen gibt mir die Chance, ehrlich Rückmeldung zu geben und in einen Dialog zu treten. Hier werde ich als Mensch wahrgenommen und nicht nur als Milchkuh, die man noch optimierter melken möchte. Dabei ist es natürlich nicht notwendig, dass der Chef höchstpersönlich mit mir in Kontakt tritt. Für mich genügt es, wenn der Kundenberater sich ab und zu nach der Meinung erkundigt, dann aber mit offenen Ohren zuhört.
- Hoher Selbstanspruch: Hier soll jeder Kunde zufrieden sein, auch der kleinste. Das gibt mir das Gefühl, dass Kundeninteressen in diesem Unternehmen sehr ernst genommen werden und dass alles daran gesetzt wird, eine preisgerechte Leistung zu erbringen. Dies sicherzustellen, ist diesem Unternehmen offenbar viel Mühe wert.
Tipp zum Verwirklichen:
- Der Anruf des Fabrikanten ist repräsentativ für einen Grundpfeiler des Unternehmenserfolges: Kundenorientierung ist Chefsache und steht und fällt mit der Einstellung der Geschäftsführung. - Warum ist das so? Alle Prozesse im Unternehmen werden erbracht, damit am Ende eine geldwerte Leistung entsteht. Geldwert ist die Leistung erst, wenn sich ein Kunde findet, der bereit ist, sein Geld für diese Leistung zu tauschen. Je besser die Prozesse auf den Kunden abgestimmt sind, um so erfolgreicher ist das Unternehmen. Die Rahmenbedingungen für diese Prozesse legt die Geschäftsführung fest. - Wird beispielsweise im Unternehmenseinkauf auf Kosten geachtet, schlägt sich das am Ende in der Preisgestaltung nieder. Man kann dem Kunden die Ware günstiger anbieten. Wird im Unternehmen auf eine transparente Kommunikation Wert gelegt - alle Mitarbeiter sind gut informiert und werden in das Geschehen einbezogen - können Synergien gefunden und ausgenutzt werden. Wenn hingegen in einem kleinen Betrieb die rechte Hand nicht weiß, was die linke gerade macht, entstehen leicht Chaos und Missverständnisse, die sich oft unmittelbar auf den Kunden auswirken. Hier ist es der Chef, der die Standards setzt. Das gleiche gilt für den direkten Kundenservice, Verkauf oder Reklamationen. Auch wenn sich hier ein sehr serviceorientierter Mitarbeiter bemüht, kann dieser nur so gut sein, wie der Chef es zulässt. Was hilft es dem Kunden, auf einen freundlichen engagierten Berater zu treffen, wenn dem die Hände gebunden sind und er seinen Handlungsspielraum nicht kennt - oder gar keinen hat. - Ein guter Chef setzt daher bewusst den Maßstab für die Kundenorientierung und nutzt die Rückmeldung der Kunden als Wegweiser, um betriebsinterne Schwachstellen zu identifizieren.
Wie denken Sie darüber? Hatten Sie ähnliche Service-Erlebnisse?
Ich bin gespannt auf Ihren Kommentar!
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